Sonntag, 26. Januar 2020

Ein Freitag für die Zukunft

Fridays for Future sind gegenwärtig in aller Munde. Über die Sinn und Unsinn dieser Bewegung kann man trefflich streiten, aber regelmäßiges Schulschwänzen sollte die Norm nicht sein.


Eine etwas andere Freitagsgestaltung für unsere Jugendlichen hatten sich die Freien Wähler Pirna ausgedacht. Sie ergriffen die Initiative und organisierten mit Hilfe von Sponsoren eine Exkursion für 300 Schüler der drei Pirnaer Gymnasien nach Leipzig zum BMW Werk. Moderne Industrie zum Anfassen.


Am 17. Januar war es soweit. Um den Tag so Grün wie möglich zu gestalten hatte ich den Treffpunkt per Rad angesteuert. Punkt 10:00 setzten sich die 6 Reisebusse in Bewegung. Gefüllt mit den erwartungsfrohen Jugendlichen, Lehrer und einige Stadträten. Mit dabei auch der stellvertretende Landrat Heiko Weigel und die Vertreter der Medien. Die Reise verging wie im Fluge. Nicht selbst fahren müssen und in die sonnige Landschaft schauen, die eigentlich eine Winterlandschaft sein sollte aber eher an den bevorstehenden Frühling erinnert, hat etwas. 


Ein Zwischenstopp an der Raststätte Muldental um die Schülerblasen nicht überzustrapazieren verbunden mit der Bitte „ Geht ja nicht zu McDonald’s, wir haben keine Zeit“  machte deutlich, dass Verbotenes und Unerwünschtes nach wie vor einen besonderen Reiz hat. Gefühlt alle Kinder mussten bei McDonald’s Halt machen - die Verspätung war vorprogrammiert. 




Am Zentralgebäude des Werkes wurden wir von Hans - Peter Kemser, dem Werkleiter erwartet und überaus freundlich begrüßt. Der Chef von 5.400 BMWlern nahm sich 4 Stunden Zeit für 300 Pirnaer Kinder und ihre Begleiter. Ich war beeindruckt.


Meine Gedanken schweiften zurück: 18 Juli 2001 nachmittags. Ich hatte mit meinem Kollegen in unserem damaligen Leipziger Büro zu tun. Es herrschte eine prickelnde Stimmung bei den dort tätigen Mitarbeitern: wir müssen gleich ins Neue Rathaus. Warum? BMW verkündet seine Entscheidung zum Standort Leipzig. Die Wandelhalle brechend gefüllt mit erwartungsfrohen Menschen. Sekt wurde gereicht und die Begeisterung kannte keine Grenzen als Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee die Botschaft verkündete. Es schien eine neue Zeitrechnung zumindest für Leipzig zu beginnen. Und heute - fast 19 Jahre später ist das Werk seit mehr als 15 Jahren in Betrieb und sichert insgesamt am Standort mittlerweile etwa 10.000 Arbeitsplätze


In der Produktion herrschte gerade kein Hochbetrieb, man bereitete den Produktionsstart für den kommenden Montag vor. Jugendliche und Erwachsene wurden auf einzelne Gruppen verteilt und los ging es.  




Es begann mit einem Vortrag über das Werk, seine Entstehung und die Unternehmensphilosophie von BMW. Hier legte man schon Wert auf Nachhaltigkeit als Greta Thunberg noch nicht geboren war und viele andere mit diesem Begriff noch nichts anfangen konnten. Hier baut man schon Elektromobile als es noch nicht Mainstream war grün zu sein und elektrisch zu fahren. Und klar wurde auch, dass nur ein wirtschaftlich starkes Unternehmen es sich leisten kann Gutes für die Umwelt und die Menschen zu tun


Das heißt hier mehr als 1.000 Fahrzeuge täglich, davon 180 elektrische zu bauen. Jede Minute verlässt ein BMW die Bänder.


Herr Kemser nahm sich viel Zeit für unsere Fragen und es entspann sich eine lebhafte Diskussion über Fachkräftemangel, Elektromobilität und Wasserstofftechnologie. Er gab sich sehr entspannt hinsichtlich der Zukunft der Verbrennungsmotoren: wir bauen das, was der Kunde wünscht - Benzin, Diesel, Hybrid oder Elektrisch. Es wird auch in Zukunft einen Mix geben. Und Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen.


Dann ein 3 Gänge Menü in der Betriebskantine. Wobei es Kantine nicht so richtig trifft. Ein großer Speisesaal in dem in luftiger Höhe Transportbänder Rohkarossen aller Typen Meter um Meter vorwärts bewegten. Kommentar von Herrn Kemser dazu: wir sind hier um Autos zu bauen. Das kann und muss jeder sehen!


Danach ein kleines Symposium zum grünen BMW Werk. Dafür nahm sich der Chef der Umweltabteilung des Werkes Dr. Stefan Fenchel Zeit für uns. Nicht nur grün angestrichen sondern tatsächlich grün war sein Botschaft. Vier riesige 140 m hohe Windräder mit einem Rotordurchmesser von 100 m liefern 28 GWh grünen Strom pro Jahr , eine Batterie Farm speichert ihn und gibt ihn bei Bedarf für die Produktion ab.


Auf dem Freigelände um das Werk wurden 230 Apfelbäume angepflanzt. Teilweise uralte Sorten. Hier leben 13 Bienenvölker. Zudem haben sich  mehrere Singvögelarten und seltene Schmetterlinge auf dem Gelände angesiedelt. Und Last gut Not legst gibt es Blumenwiesen statt intesnsiv gewählten Golfrasens.


Jeder aus Leipzig stammende BMW wird mit einem Glas BMW Honig ausgeliefert! Es soll vorkommen, dass Kunden, die aus anderen Werken beliefert wurden nach dem Honig gefragt haben.


Unsere Schüler konnten sich praktisch betätigen und BMW - Nistkästen und Insektenhotels bauen. Wobei ich jetzt weiß, dass Insektenhotel ein irreführender Begriff ist. Richtig heißt es „Wildbienen - Nisthilfe“


Hier sind die Umweltschützer nicht militant sondern Teil des Ganzen und werden aktiv in das Geschehen einbezogen. Nur so kann es gehen! In Anbetracht meiner begrenzten Transportkapazitäten entschied ich mich für die BMW - Nisthilfe, die zukünftig meinen bescheidenen Garten bereichern wird. Über die Blumenwiese muss ich noch einmal nachdenken.


Die Zeit verging wie im Flug. Erinnerungsfotos wurden gemacht, Geschenke des OB überreicht und eine Einladung noch Pirna ausgesprochen.

 




Wie zu hören war, besuchen jährlich bis zu 25.000 Gäste da Werk, doch Herr Kemser bestätigte uns, dass wir in den mehr als 15 Jahren die das Werk in Betrieb ist die zahlenmäßig größte  Besuchergruppe waren. Na wenn das nichts ist!


Gut gelaunt und schlauer als vorher traten wir die Heimreise nach Pirna an. Mein Fahrrad stand noch da und so ging ein toller Tag entspannt zu Ende.


Sicher wird man BMW nicht zum Umzug in den Industriepark Oberelbe bewegen können. Doch wenn es gelänge etwas Vergleichbares bei uns zu schaffen, könnte man Ökonomie, Wohlstand für viele und Umweltschutz optimal verbinden. Und wenn diese Überlegung von möglichst vielen unserer Schüler verinnerlicht wird war unsere Mühe nicht umsonst.